Zweiter Abschnitt

Von dem Staatsgut, sowie von dem Vermögen und den Gebührnissen des Königlichen Hauses


§ 16

1) Staatsgut

Das Staatsgut besteht, als eine einzige unteilbare Gesamtmasse, aus dem, was die Krone an Territorien, Ämtern, Kammergütern, Domainen, den dazu gehörigen Fluren, Gebäuden und Inventarien, Grundstücken, Forsten und Mühlen, Berg- und Hüttenwerken, Kuxen, Regalien, Amtskapitalien, Einkünften, nutzbaren Rechten, öffentlichen Anstalten, Beständen, Außenständen und Vorräten jeder Art und sonst besitzt und erwirbt, und es geht dasselbe in seinem ganzen Umfange auf den jedesmaligen Thronfolger über. Neben demselben besteht das Fideikommiß des Königlichen Hauses. Von beiden ist das Privatvermögen des Königs und der Königlichen Familie zu unterscheiden.


§ 17

(1) Das Staatsgut wird durch eine den Grundsätzen der Verfassung gemäß konstituierte
Finanzbehörde verwaltet und lediglich zu Zwecken des Staats benutzt. Sein Ertrag bleibt den Staatskassen überlassen.12


(2) Übrigens ist dem Könige unbenommen, eine oder die andere Domaine, gegen Abzug
einer, nach dem Durchschnitts-Ertrage der letzten zehn Jahre, bestimmten Summe von der Zivilliste (§ 22) auf Lebenszeit zu eigener Verwaltung und Benutzung zu übernehmen; auch bleiben die in der Beilage I. verzeichneten Schlösser, Paläste, Hofgebäude, Gärten und Räume zu der freien Benutzung des Königs.

(3) So lange der Lehnsverband zwischen dem Könige, als Oberlehnsherrn, und seinen Vasallen noch besteht, wachsen die heimfallenden Lehen dem Staatsgut zu; es bleibt aber dem Könige das Recht, Erbverwandlungen zu bewilligen, Lehnspardon zu erteilen, auch alle andere aus der Oberlehnsherrlichkeit fließende Befugnisse auszuüben. Lehnsanwartschaften werden jedoch nicht erteilt werden.


§ 18

(1) Das Staatsgut ist stets in seinen wesentlichen Bestandteilen zu erhalten und kann da-
her, ohne Einwilligung der Stände, weder durch Veräußerungen vermindert, noch mit Schul-
den oder andern Lasten beschwert werden.

(2) Unter dem Veräußerungsverbote sind jedoch diejenigen Veränderungen nicht begrif-
fen, welche bei einzelnen Parzellen, zu Beförderung der Landeskultur, oder zu Entfernung
wahrgenommener Nachteile durch Verkauf, Austausch oder Ablösung, so wie in Folge eines gerichtlichen Urteils, oder zu Berichtigung zweifelhafter Grenzen nötig oder gut befunden werden sollten.

(3) Die Kaufgelder sind, sobald sich eine vorteilhafte Gelegenheit findet, zu Erwerbung inländischen Grundeigentums anzuwenden, inzwischen aber auf eine andere zweckmäßige Weise werbend anzulegen.

(4) Was durch eine solche Veräußerung an Grundeigentum, Rechten, Einkünften oder Kaufgeldern erlangt wird, nimmt die Eigenschaft des veräußerten Gegenstandes an und tritt andessen Stelle.

(5) Den Ständen ist bei jedem ordentlichen Landtage (§115) nachzuweisen, was seit dem
letztvorherigen vom Staatsgut veräußert, warum die Veräußerung bewirkt, was dabei erlangt und in welcher Maße das erlangte Kaufgeld vorschriftsmäßig angewendet worden sei.


§ 19

(1) Alle Bestände, Forderungen und Ansprüche des Königlichen Fiskus gehen auf die allgemeinen Staatskassen über. Dagegen werden die auf ersterem haftenden Schulden und Ansprüche aller Art von letzteren zu alleiniger Vertretung übernommen.

(2) Die Rechte der Gläubiger bleiben unverletzt.


§ 20

2) Königliches Hausfideikommiss

(1) Das Königliche Hausfideikommiß besteht:
a) aus allem dem, was zu der Einrichtung oder Zierde der in der Beilage unter I. verzeichneten Königlichen Schlösser, Paläste, Hofgebäude und Gärten dient, dem Mobiliar, welches der Aufsicht der Hofämter und Hofintendanten anvertraut und zum Bedarfe oder Glanze des Hofs bestimmt ist, den Ställen, an Pferden, Wagen und sonstigem Inventar, den Jagderfordernissen, den in dem grünen Gewölbe und anderen Königlichen Sammlungen befindlichen Kostbarkeiten, Gold- und Silbergeräten und Porzellan, der Gemäldegalerie, den Kupferstich-, Naturalien-, Münz-und anderen Kabinetten, der Bibliothek, der Kunst-, Rüst- und Gewehrkammer;
b) aus demjenigen, was demselben nach § 21 zuwächst.13

(2) Dasselbe ist Eigentum des Königlichen Hauses, dessen Besitz geht aber, nach der § 6 und 7 für die Krone bestimmten Sukzessionsordnung und sonst, auf den jedesmaligen rechtmäßigen Regenten des Königreichs Sachsen über. Dasselbe ist von dem Lande unzertrennbar und unveräußerlich. Unter dem Veräußerungsverbote sind jedoch diejenigen Veränderungen nicht begriffen, welche durch Verkauf oder Austausch einzelner Gegenstände für gut befunden werden sollten. Was durch Veräußerung an Gegenständen oder Kaufgeldern erlangt wird, nimmt die Eigenschaft des veräußerten Gegenstandes an und tritt an dessen Stelle.

(3) Die Kaufgelder sind, sobald sich eine vorteilhafte Gelegenheit findet, zu Vermehrung des Hausfideicommisses anzuwenden. Auch steht dem jedesmaligen Regenten lediglich unter Zustimmung der Stände das Befugnis zu, die zu demselben gehörigen Kostbarkeiten, bis zur Höhe einer Million Taler, in außerordentlichen Notfällen zu Staatszwecken zu verpfänden. Es ist jedoch der verpfändete Teil desselben, sobald als möglich, wieder einzulösen.

(4) Nur in den § 105 erwähnten außerordentlichen dringenden Fällen, wo die Einberufung der Stände durch die Umstände unmöglich gemacht wird, kann eine Verpfändung desselben vom Könige, unter Verantwortlichkeit der ihn hierbei beratenden Minister, auch ohne Zustimmung der Stände, verfügt werden, und es treten alsdann die Bestimmungen des gedachten §s. in Kraft.


§ 21

3) Privateigentum des Königs14

(1) Privateigentum des Königs ist alles dasjenige, was derselbe vor der Gelangung zum Throne bereits besessen hat, sowie dasjenige Vermögen, was er während seiner Regierung aus Privatrechtstiteln erwirbt; es steht ihm darüber die freie Disposition unter den Lebenden und auf den Todesfall zu.

(2) Hat der König über dieses Vermögen nicht disponiert, so wächst dasselbe bei seinem Ableben dem Hausfideikommiss zu.

(3) Über Ersparnisse an der Zivilliste steht dem König die freie Disposition unter den Lebenden zu, bei seinem Ableben aber fallen solche ebenfalls dem Hausfideikommiss anheim.


§ 22

4) Zivilliste

(1) Der König bezieht jährlich eine mit den Ständen, auf die Dauer seiner Regierung, verabschiedete Summe aus den Staatskassen, als Zivilliste, zu seiner freien Disposition in monatlichen Raten im Voraus zahlbar.

(2) Diese Summe ist als Äquivalent für die den Staatskassen, auf die jedesmalige Dauer der Regierungszeit des Königs, überwiesenen Nutzungen des Königlichen Domainengutes zu betrachten und kann, während der Regierungszeit des Königs, weder ohne dessen Zustimmung vermindert, noch ohne die Bewilligung der Stände vermehrt, auch, als wesentliches Bedürfnis zu Erhaltung der Würde der Krone, zu keiner Zeit und auf keine Weise mit Schulden belastet werden.

(3) Diese Nutzungen sollen auch den Staatskassen so lange überwiesen bleiben, als eine Zivilliste bewilligt wird, welche der jetzt mit Fünfmalhundert Tausend Talern — verabschiedeten an Höhe wenigstens gleich kommt.

(4) Die Zivilliste des mit Tode abgegangenen Königs besteht fort, bis die seines Nachfolgers verabschiedet ist, jedoch längstens nur bis zur Vereinigung über ein neues Budget.

(5) Von selbiger werden bestritten: die Schatullengelder des Königs und seiner Gemahlin, die Unterhaltungs- und Erziehungskosten seiner Kinder, die Gehalte aller Königlichen Hof-Beamten und Diener, die künftig auszusetzenden Pensionen derselben, so wie ihrer Witwen und Kinder, der gesamte Aufwand für die Hofhaltung, den Stall, die Hofjagd und die dazu gehörigen Inventarien, den katholischen und evangelischen Hofgottesdienst, für letzteren, nach der Höhe des seitherigen Beitrags, die Hofkapelle und Hoftheater, die Unterhaltungskosten der nach § 17 dem Könige zur freien Benutzung bleibenden Schlösser, Paläste, Hofgebäude und Gärten, endlich alle hier nicht erwähnte ordentliche oder außerordentliche Hofausgaben, deren Bestreitung nicht ausdrücklich auf das Staatsbudget gewiesen ist.


§ 23

5) Apanagen und andere Gebührnisse der Glieder des Königlichen Hauses

(1) Die den dermaligen Gliedern des Königlichen Hauses ausgesetzten Apanagen, Witthümer und andern vertragsmäßigen Gebührnisse, Hand- und Garderobengelder bleiben, unter Beobachtung der wegen der Sekundogenitur bestehenden Bestimmungen auf deren Lebenszeit unverändert und werden in das Budget aufgenommen.

(2) Über die künftig unter Anrechnung der Sekundogenitur zu gewährenden Apanagen,
Witthümer, Heiratsgüter und andere dergleichen Gebührnisse ist mit den Ständen eine feststehende Bestimmung zu verabschieden, welcher nachmals in jedem einzelnen Falle nachzugehen ist, und welche in das Hausgesetz aufgenommen werden soll.

(3) Ohne Einwilligung der Stände können diese Gebührnisse nicht verändert und nie
durch Überweisung von Grundstücken zur Benutzung gewährt werden.

(4) Die Entrichtung derselben erfolgt aus den Staatskassen ohne Zurechnung auf die Zivilliste.

12 Die zur Verwaltung des Staatsguts berufene Finanzbehörde ist das Finanzministerium s. VO. v. 7. Nov. 1831, § 4 B. 13 Der jetzige erste Absatz des § 20 (von „Das Königliche“ bis „zuwächst.“) bestand in der VU. von 1831 aus zwei Absätzen. Das
Von 1888 hat den oben im Text stehenden ersten Absatz daraus gemacht. Die weiteren drei ursprünglichen Absätze des § 20 sind unverändert geblieben. Siehe Anmerkung zu § 21. 14 Das VG. von 1888 hat den obigen Text an die Stelle des § 21 gesetzt. Der zweite Abs. ist übrigens unverändert. § 20 Abs. 2 der
VU. ist dem Inhalte nach identisch mit § 21 gewesen. Diesen ungeeigneten doppelten Ausdruck desselben Inhalts in zwei auf einander folgenden §§ hat das VG. von 1888 beseitigt, indem es den Abs. 2 des § 20 zu einer Verweisung auf § 21 zusammenzog s. zu § 20. Die Änderung des VG. v. 1888 beruht auf der Erwägung, dass die Beschränkung des Königs auf Disposition inter vivos hins. des während der Regierung nicht mit dem schon vor der Gelangung zum Thron besessenen Vermögen, sondern sonst durch einen
Privatrechtstitel erworbenen Vermögens (im Gegensatz zu den Ersparnissen aus der Zivilliste), weder zweckmäßig noch würdig,
und, weil leicht zu umgehen, auch unpraktisch sei; es beruhe diese Beschränkung auf einer früheren, jetzt nicht mehr berechtigten Anschauung.