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Die Frauen.

Da die Eigentümlichkeit eines Volkes am reinsten von den Frauen festgehalten zu werden pflegt, müssen wir auch hören, was der Leumund Sachsens über die Frauen sagt. Schon die volkstümliche Redensart, daß in Sachsen die schönen Mädchen auf den Bäumen wachsen, ist nicht nur des Reims wegen entstanden, sondern Ergebnis einer richtigen Beobachtung.

Sodann spricht sich der mehrfach genannte Baron von Loen über die Schönheit und Liebenswürdigkeit der sächsischen Frauen folgendermaßen aus: „Das Frauenzimmer in Sachsen und darunter das meißnische hat etwas Holdseliges und Liebreizendes. Es übertrifft noch die Engländerinnen an Wuchs und Schönheit. Es hat die Feinheit der Französinnen und das Feuer der Italienerinnen. In dem schmeichelhaften Wesen aber geht es allen vor. Es schlägt eben die Augen insgemein nur deshalb nieder, um mit einem geschärften Blicke desto mehr Unheil anzurichten.“

Ziehen wir hiervon das ab, was auf Rechnung des nun längst vergangenen „galanten Sachsens“ zu schreiben ist, so stimmen wir gern heute noch in das darin den Frauen Sachsens erteilte Lob ein. Haben sie es doch nicht nur dem Baron von Loen, sondern so manchem andern angethan.

Bezeichnend hierfür ist die sprichwörtliche Redensart: „Wer von Wittenberg kommt mit gesundem Leib, von Jena ungeschlagen, von Leipzig ohne Weib, der kann von Glücke sagen“; sowie die 1704 zur 200jährigen Jubelfeier der Universität Wittenberg auf die genannten drei sächsischen Universitäten geschlagene Münze; dieselbe zeigt nämlich den Wittenberger Studenten mit steifer Miene das Bierglas in der Hand, aber das Tuch unter dem Arme, den Jenenser mit gezogenem Degen und einer großen Schmarre auf dem Backen, den Leipziger – mit einem entflammten Herzen in der Hand! Die Unterschrift sagt: Trabit sua quemque voluptas.

Desgleichen stellt ein Ausspruch Gottscheds den wilden Jägern an der Saale, d. h. den Jenaischen Studenten, die sanften Schäfer an der Pleiße, d. h. die Leipziger Studenten, gegenüber. Ausschließlich mit diesem Gegensatze beschäftigt sich das als Zeit- und Sittenbild höchst wertvolle Gedicht Zachariäs „Der Renommist“, auf welches schon oben S. 7 einmal Bezug genommen war. Hier wird am „Raufbold“ das nur auf Trinken und Schlagen hinauskommende rohe und wüste Treiben der Studenten auf den kleinen deutschen Universitäten dargestellt, an „Sylvan“ hingegen der durch das Leben in der großen Stadt und vor allem durch den Umgang mit gebildeten und liebenswürdigen Frauen verfeinerte, darum aber auch etwas geckenhafte Ton des Leipziger Studenten, und zwar so, daß durch den Waffenerfolg Sylvans über Raufbold deutlich die Vorliebe des Dichters für den ersteren bekundet wird.

Geradezu überschwenglich in seinem Lobe der sächsischen Frauen ist der „reisende Franzose“. Er schreibt von Dresden aus (41. Brief): „Je länger ich hier bin, Bruder, um so mehr glaube ich in meinem Vaterlande zu sein. Die Sitten der hiesigen Einwohner, ihre Lebensart, ihre Gebärden, Vergnügungen, der Ton ihrer Gesellschaften, kurz alles versetzt mich nach Haus. Ich wünsche nur, daß unsre Damen, Fräuleins und Mädchen so schön und frisch wären als die hiesigen! Ich erinnere mich, daß eine Österreicherin, als einige Herren in einer Gesellschaft den Sächsinnen eine große Lobrede hielten, denselben zur Antwort gab: „Gebt uns nur so schöne und artige Männer als die Sachsen sind und dann laßt uns für das übrige sorgen! Das hiesige Frauenzimmer hat nicht nur die Kenntnisse, welche unmittelbar dazu beitragen, seine natürlichen Reize zu erhöhen, sondern auch sehr viel allgemeine Weltkenntnis und, was noch viel mehr ist, schöne Sitten! Hier gibt es wahre Ideale von Schönheiten! Schlank von Wuchs, frisch von Fleisch und Farbe, rund von Knochen und lebhaft in Gebärde hüpfen die Mädchen daher wie die jungen Rehe, um mit Salomo zu sprechen, an den ich Dich überhaupt verweisen will, denn ich bin wirklich nicht dazu aufgelegt, Dir ein dich- terisches Gemälde davon zu geben, ob ich schon noch kein Frauenzimmer gesehen habe, das mich so leicht zu einem hohen Liede entzücken könnte als das hiesige.“

Nachdem er bei einigen Landedelleuten in der Umgebung von Leipzig zu Besuch gewesen ist, schreibt er von ihren Töchtern: „Sie sind die artigsten Geschöpfe von der Welt. Ihre natürliche Empfindsamkeit und Lebhaftigkeit nimmt in der Stille des Landlebens gemeiniglich einen romantischen Schwung, der in allen ihren Gebärden, Blicken und Reden sichtbar ist. Lessings Minna von Barnheim, die Du ohne Zweifel kennst, hat etwas von ihrer verliebten Schwärmerei; allein ihre charakteristische Laune ist mehr die Art der sächsischen Stadtfräulein. Die Landfräulein überhaupt genommen, haben das Pikante und Neckende der Minna nicht, sondern sind viel nachdenkender und schmelzender, aber alle sind gleich schön, wie die Engel!“

Für höchst bedenklich hält er unter diesen Umständen die Beschäftigung mit leichter und seichter Unterhaltungslitteratur. „Die Modelektüre“, schreibt er, „welche jetzt in Deutschland überhaupt herrscht, nämlich die Komödien und Romane, sind keine gute Nahrung für die von Natur so zärtlichen Landfräulein in Sachsen!“ Da die Blumen der Schönheit, welche er in Sachsen geschaut, ihm gar so gut gefallen haben, bedauert er nur wehmütig das eine, daß sie nicht besser gepflegt werden, um länger zu blühen. „Denn das hiesige Frauenzimmer“, schreibt er von den Dresdnerinnen, „scheint geschwinde zu verblühen, denn ich sah wenig Weiber von 50 Jahren, an denen nicht die Spuren des Verwelkens sichtbar waren. Das heftige Temperament mag viel dazu beitragen, vielleicht aber noch mehr die schlechten Nahrungsmittel, verbunden mit der Sorge für das Hauswesen!“

Aus: Der Leumund der Sachsen. Festschrift zur Jubelfeier der 800 jährigen Regierung des Hauses Wettin über das gegenwärtige Königreich Sachsen, verfaßt von Hermann Ferdinand von Criegern, Leipzig 1889, Verlag und Druck von Otto Spamer.

Quelle: https://staatsbibliothek.ewigerbund.org/viewer/image/criegern_leumund_sachsen_1889/30/