Das westliche Sachsen.

Das Erzgebirge.

Nach Westen zu schließt sich an das Elbsandsteingebirge das Erzgebirge an. Seinen Namen trägt es von den Schätzen an Silber-, Kupfer-, Eisen-, Zinn- und anderen Erzen, die es in seinem Innern barg und zum Teil noch birgt. Es erstreckt sich in der Richtung der Südgrenze Sachsens von der Gottleuba bis zur Göltzsch und zur Zwota, 100 km weit. (Die Zwota ist der einzige Fluß Sachsens, der nach Süden fließt.) Im Süden fällt es steil von seinen höchsten Erhebungen nach Böhmen ab, während es sich nach Norden nur allmählich abdacht und ohne scharfe Grenze ist. Als Nordgrenze kann man ungefähr die Eisenbahnlinie ansehen, die von Tharandt über Freiberg nach Chemnitz geht; von hier aus wendet sich die Grenze etwas südlicher, etwa über die Städte Stollberg und Kirchberg.

Entstehung.

Das Erzgebirge besteht aus den ältesten Gesteinen, die man kennt, Gneis, Glimmerschiefer, Urtonschiefer. Die beiden letzteren bildeten wahrscheinlich die ersten festen Erdschichten. Gegen sie und in sie hinein wurde dann von unten der Gneis gedrängt. Als in unendlich langen Zeiträumen die Erde, die anfangs glühend heiß war, erkaltete und dabei zusammenschrumpfte, bildeten sich (wie bei einem erkaltenden Bratapfel) Falten in ihrer Oberfläche. Auch die über Sachsen liegenden Schichten falteten sich, und zwar entstanden drei Falten, von denen die südliche die höchste, die nördliche die niedrigste wurde. Die südliche ist jetzt unser Erzgebirge. Aber Wetter und Wind arbeiteten daran und erniedrigten den Rücken. Insbesondere schwemmte das Wasser viel Gestein und Erdreich in die zwischen den Falten liegende Vertiefung und füllte sie aus. Bei der seitlichen Zusammenpressung und der Hebung der starren Schichten waren in ihnen Sprünge und Höhlungen entstanden. Durch die Risse wurde zähflüssiger Granit (bei Altenberg, Eibenstock und Kirchberg) und später Basalt emporgepreßt. Basalt besonders, als der südliche Teil der Falte abbrach und in die Tiefe abrutschte. Hierdurch entstand der böhmische Steilabfall des Erzgebirges. Die einsinkenden Schollen drückten auf den in der Tiefe befindlichen heißen Basaltbrei und quetschten ihn in allen Fugen und Ritzen in die Höhe. Damals bildete sich das böhmische Basaltgebirge, und im Erzgebirge entstanden die Basaltberge, der Bärenstein, der Pöhlberg, der Scheibenberg, der Geising u. a. Auch heißes Wasser und heiße Dämpfe stiegen in die Höhlungen der Gebirgsschichten. Darin waren allerlei Metalle aufgelöst, die sich beim Erkalten festsetzten und nun Adern oder Stöcke von Metall bildeten. So entstand der Metallreichtum des Erzgebirges.

Erhebungen.

Die sächsische Grenze geht nicht immer auf der Kammhöhe des Gebirges hin, sondern meist etwas nördlicher, so daß der Kamm größtenteils böhmisch ist. Auch die höchste Erhebung, der Keilberg (1244 mh, liegt auf böhmischer Seite, und erst der Fichtelberg (1213 m), der zweithöchste Berg, gehört zu Sachsen. Sein Gipfel bildet Sachsens höchsten Punkt. Der dritte Berg ist der Auersberg bei Eibenstock. Außer diesen Bergen und den vorhin genannten Basaltbergen seien noch die aus Granitfelsen bestehenden Greifensteine bei Geyer erwähnt. Alle diese Erhebungen liegen weit voneinander entfernt. Da die Kammhöhe schon sehr bedeutend ist, erscheinen sie nicht besonders mächtig. Dazwischen breiten sich weite wellige Hochebenen aus, wölben sich sanfte Rücken und senken sich flache Talmulden. Nur die Hauptflüsse haben tiefe und steile Täler gegraben. So zeigt das Erzgebirge ein ganz anderes Aussehen als das zerrissene und zerklüftete Elbsandsteingebirge. Einen gewaltigen Eindruck macht allerdings der Anblick des südlichen Steilabfalls von Böhmen aus. Gleich einer mächtigen Mauer steigt hier das Gebirge empor. In vielen Windungen klettern die Landstraßen und vier Eisenbahnlinien daran hinauf.

Klima.

Je höher man ins Gebirge kommt, desto mehr nimmt die Wärme ab, und zwar beträgt die Abnahme auf 200 m Steigung reichlich 1 °C. Während das Elbtal eine mittlere Jahreswärme von 9 Grad hat, ist sie in Annaberg etwa 6 Grad, auf dem Fichtelberg noch nicht 2½ Grad. Umgekehrt ist es mit den Niederschlägen. Diese nehmen nach der Höhe hin zu. Denn die Wasserdämpfe, die der vorherrschende Westwind herbeiführt, kühlen sich hier oben ab, hüllen die Berge in Nebel oder fallen als Regen oder Schnee zur Erde. Langdauernd und streng ist der Winter. (In Oberwiesenthal bleibt der Schnee durchschnittlich 141 Tage, auf dem Fichtelberge gar 176 Tage liegen, während es in Dresden nur 39 Tage, in Leipzig 46 Tage der Fall ist. Auf dem Fichtelberg fällt sieben- bis achtmal soviel Schnee wie in Dresden. Meterhoch liegt oft der Schnee, so daß die Bewohner nicht selten von Haus zu Haus Gänge oder Tunnel ausschaufeln müssen. Die Bäume sind über und über mit Rauhreif bedeckt und erscheinen in den merkwürdigsten, unheimlichsten Gestalten. Ist dann in den Niederungen längst schon der Frühling eingezogen, so saust hier oben noch der Rodelschlitten und schallt der Heilruf des Skifahrers. Allwöchentlich gehen während des Winters Wintersportzüge aus den Großstädten ins Gebirge, damit der Städter die Wunder des Gebirgswinters schauen und seine Freuden genießen kann. Ihr Hauptziel ist die Gegend am Fichtelberg mit Oberwiesenthal, der höchstgelegenen Stadt Deutschlands (913 m), einem verkehrsreichen Wintersportplatz.

Moore.

Kehrt endlich der Winter dem Gebirge den Rücken, so fallen häufige Regen. Da das Wasser aus mancher der flachen Gebirgsmulden keinen Abfluß findet, so sind an vielen Stellen Moore entstanden, Sümpfe, die ganz mit Torfmoosen ausgefüllt sind. Die unteren Schichten sind abgestorben und bilden eine schwarze filzige Masse, den Torf; an der Oberfläche aber grünen Moos, Heidekraut und Wollgras. Gleich großen Schwämmen saugen diese Moore das Regenwasser auf und geben es nur allmählich an die Flüsse ab. Der bedeutendste von ihnen ist der Kranichsee (d. h. Grenzsee), südlich von Eibenstock; er ist jetzt mit niederen Kiefern bepflanzt. Einige Moore sind trocken gelegt. In ihnen wird Torf gestochen, der in Ziegelform getrocknet als Brennmaterial oder zerkleinert als Streu dient.

Flüsse.

Die Moore sind vortreffliche Quellenbildner. So entspringt eine Reihe von Erzgebirgsflüssen in Moorgebieten, wie die Zwickauer Mulde und mehrere ihrer Nebenflüsse, darunter auch das Schwarzwasser. Aber nicht nur aus Moorgegenden kommen Flüsse, bei dem Wald- und Regenreichtum des Gebirges quillt und rinnt es überall. Die genannten Flüsse finden wir im westlichen Teile des Gebirges. Die Hauptflüsse des mittleren Gebirges sind die Zschopau (d. h. die Tosende) und ihr Nebenfluß die Flöha. Beide vereinigen sich bei dem großen Industriedorfe Flöha unterhalb der Porphyrkuppe, die das alte, weithin in die Lande schauende Schloß Augustusburg und die Stadt gleichen Namens trägt. Im östlichen Erzgebirge fließen die Freiberger Mulde, die Wilde und die Rote Weißeritz und die Müglitz; letztere drei sind Nebenflüsse der Elbe. Die Flüsse sind zu reißend, als daß man darauf Schiffahrt treiben könnte, aber sie stehen alle im Dienste der Industrie, der sie billige Kraft liefern. Insbesondere hat man zahlreiche Sägemühlen und Holzschleifereien an ihnen angelegt, in denen Pappe und Holzstoffpapier hergestellt wird, aber natürlich auch andere Fabriken. Sie alle stehen nie unmittelbar am Flusse, sondern entnehmen das Wasser einem besonders für sie angelegten Fabrik- oder Mühlgraben, der von einem Stauwehr ausgeht; denn die Wassermenge, die der Fluß führt, ist sehr veränderlich. In Regenzeiten tost er wild dahin, oft aus seinen Ufern tretend und Überschwemmungen verursachend, in trockenen Zeiten verliert er sich fast im steinigen Bette. Man legt darum in verschiedenen Flüssen große Talsperren an, in denen man den Wasserüberfluß der nassen Zeit für die Zeit der Dürre aufspart. So geschieht es im Flußbett beider Weißeritzen (S. V)

Wald, Feld und Wiese.

Unübersehbar dehnt sich im höheren Teile des Gebirges der Wald aus, zumeist aus mächtigen Fichten bestehend, die oft mit langen Bartflechten behangen sind. Er gibt zahlreichen Gebirgsbewohnern Gelegenheit, als Waldarbeiter ihren Unterhalt zu verdienen. Groß ist sein Reichtum an Beeren und Pilzen. Der Gebirgswald ist größtenteils Staatsbesitz. Im östlichen Teile des Gebirges liegen darin einige Königliche Jagdschlösser, darunter Rehefeld südlich von Altenberg im Tale der Wilden Weißeritz. Um die Ortschaften herum ist der Wald niedergeschlagen. Hier breiten sich Wiesen und Felder aus. Freilich sind die Felder oft steinig und mager, und im hohen Gebirge gedeihen darauf nur noch Hafer und Kartoffeln gut. Ja, stellt sich der Winter besonders früh ein, so kann es vorkommen, daß die Kartoffeln aus dem Schnee hervorgegraben werden müssen. Von dem kräftigen Heu der Gebirgswiesen wird nicht alles für die Viehzucht verbraucht, so daß ein Teil in die großen Städte abgegeben werden kann. Vor vielen Häusern steht eine Eberesche, Vogelbeerbaum genannt, des Erzgebirgers liebster Baum; denn Obstbäume kommen höher oben nicht mehr fort. Auch als Straßenbaum ist er vielfach angepflanzt. Von ihm singt der Gebirgsbewohner in seiner erzgebirgischen Mundart:

Kann schinn’rn Baam gippt’s
wie dann Vuglbärbaam,
as wärd a su leicht net
ann schinn’rn Baam gahnm

Unn wenn iech gestorm bieh
— iech wär’sch net d’rlaam —,
do pflanzt off mei Grob
fei ann Vuglbärbaam.

Bergbau, Industrie und Verkehr.

Das Erzgebirge hat seinen Namen von dem Reichtum an Metallen. Erstmalig wurden im 12. Jahrhundert unter Markgraf Otto von Meißen die Vorkommen an Silbererz entdeckt. An der Fundstelle entstand die Stadt Freiberg. Zahlreiche Bergwerke entstanden rund um Freiberg, was die größte Stadt im Gebirge ist, und eine Bergschule und Bergakademie wurden eröffnet. Mit der Förderung von Silbererz und den erheblichen Aufwand zur Gewinnung des reinen Metalles sowie des sinkenden Silberpreises, wurden die Erzbergwerke wieder geschlossen.

Neben Silber verfügte das Erzgebirge auch über Zinn- und Eisenvorkommen. Bei Altenberg im östlichen Erzgebirge wird Zinn gewonnen und im Dreiecke zwischen der Zwickauer Mulde und dem Schwarzwasser fand man besonders Eisenerze. Der Eisenbergbau ließ später nach, da das Ausland die Eisenerze viel billiger lieferte.

Verweis zu Bergbau

Mit dem Aufhören des nicht mehr lohnenden Bergbaues nahm die bodenständige Industrie mehr und mehr Stellung im Königreich Sachsen ein. Teile der Bevölkerung boten Erzeugnisse des Gebirges aus Holz, Stroh, Flachs, Steine usw. an, was wiederum auf Grund der Nachfrage dazu führte, ausländisches Material zu beschaffen, da das einheimische nicht mehr ausreichte. Neben den bodenständischen Industrien entstanden auch nicht bodenständische wie beispielsweise das Klöppeln.

Verweis zu Industrie

Mit dem Aufstreben der Industrie begann ein lebhafter Handel, dessen Dreh- und Angelpunkt Annaberg stellte. Als Handelsstraße dienten die Straßen und Eisenbahnen ins und über das Gebirge. Insgesamt wurden vier Eisenbahnlinien geschaffen, die von den Tälern herkommend über das Gebirge mit 900 Metern Höhe bis nach Karlsbad sowie 7 weitere Linien die auf sächsischer Seite bis an den Gebirgskamm führten.

Verweis zu Verkehr

Das Vogtland.

Lage.

Die südwestliche Ecke unseres Vaterlandes bildet das Vogtland. Es wurde im Mittelalter von kaiserlichen Vögten verwaltet, daher sein Name. Die Flüsse Zwota und Göltzsch bezeichnen seine nordöstliche Grenze, doch rechnet man auch die Stadt Reichenbach noch dazu. Die übrigen Grenzen des sächsischen Vogtlandes sind zugleich die Landesgrenzen.

Bodengestalt und Bewässerung.

Im Süden liegt das Elstergebirge. Es erscheint als eine Fortsetzung des Erzgebirges, ist aber niedriger und nach Süden zu weniger steil. Seine höchste Erhebung auf sächsischer Seite ist der Kapellenberg (760 m), der im südlichsten Zipfel Sachsens liegt. Nach Norden zu schließt sich ein Hügelland an, das in bunter Abwechslung Bergrücken, Kuppen und Täler zeigt und ohne eigentliche Kammlinie ist. Die Haupttäler sind tief eingeschnitten. In ihnen fließen die Hauptflüsse Elster und Göltzsch. Die Eisenbahnlinie Zwickau-Hof überschreitet sie auf den höchsten und gewaltigsten Brücken des Landes, der fast 80 m hohen und beinahe 580 m langen Göltzschtalbrücke zwischen Mylau und Netzschkau und der nur 10 m niedrigeren Elstertalbrücke nördlich von Plauen (280 m lang). Im Elstergebirge finden sich große Moorlager, aus denen die Moorerde für heilkräftige Bäder gewonnen wird. Auch entspringen hier Mineralquellen, – und so sind hier Badeorte Bad Elster, Sachsens bedeutendstes Bad, und Brambach, Sachsens jüngstes Bad, entstanden.

Gesteine.

Das Hauptgestein des Vogtlandes ist Tonschiefer. Er hat sich in uralter Zeit als Schlamm in dem Meere abgesetzt, das sich hier ausbreitete. Später hob sich der Boden aus dem Meere heraus. Dabei bekam er Risse und Spalten. In ihnen quollen aus dem Erdinnern zähflüssige Massen empor, Granit im Elstergebirge und Grünstein nördlich und südlich von Plauen. Der Grünstein bildete die vielen Berg- und Hügelkuppen des mittleren Vogtlandes. Die heißen Durchbruchsmassen haben den Tonschiefer gehärtet, so daß er zum Haus- und Mauerbau, zu Säulen, Platten, Trögen verarbeitet werden kann. Solcher Schiefer wird besonders östlich von Plauen in großen Brüchen gewonnen. Die Gebirgsbildung des Vogtlandes ist noch nicht abgeschlossen. Es finden noch unterirdische Verschiebungen statt, die nicht selten Erdbeben zur Folge haben. Wie im Erzgebirge, so sind auch im Elstergebirge die Gebirgsspalten häufig mit Erzen ausgefüllt, besonders mit Eisenerzen, doch ist ihr Abbau aufgegeben worden. Nur den Kupferbau betreibt man wieder. Er ist wieder lohnend geworden, da das Kupfer durch seine vielfache Verwendung bei elektrischen Leitungen im Preise gestiegen ist. So hat man neuerdings bei Klingenthal ein großes Kupferbergwerk angelegt.

Wald, Feld und Wiese.

Die höheren Lagen des Vogtlandes sind mit großen Waldungen bedeckt, die sich durch ihren Reichtum an Heidel- und Preißelbeeren auszeichnen. Im mittleren und unteren Vogtlande sind die Wälder stark gelichtet, und Acker und Wiesen treten neben sie. Unter den Feldfrüchten spielt die Kartoffel eine wichtige Rolle. Hier wurden um das Jahr 1700 zuerst in Sachsen Kartoffeln angebaut. Heute noch sind sie für den Vogtländer eins der wichtigsten Nahrungsmittel. Aus ihnen werden auch die „grünen Klöße“, seine Lieblingsspeise, bereitet. Da der Tonschieferboden bei seiner Verwitterung keine gute und tiefe Ackererde gibt, so findet man im Vogtlande ziemlich viel Wiese und infolgedessen eine bedeutende Viehzucht. Auf den zahlreichen Viehmärkten der Städte Adorf, Oelsnitz, Plauen werden die schönen rotbraunen vogtländischen Rinder gern aufgekauft.

Industrielle Orte und Verkehr.

Das Vogtland ist mit seiner Hauptstadt Plauen die bekannteste Industriestadt im Königreich Sachsen. Die „Plauener Spitze“ beherbergte Spinnerein, Weberein, Färberein für die Weißstickerei, welche die Handarbeit zunehmend in den Maschinenbau von Stickmaschinen wandelte. Auch die Perlmutterindustrie in Bad Elster verarbeitet viele Waren ausl Flußperlenmuscheln. Ein weiterer Zweig war die Instrumentenherstellung sowie mit vermehrter Viezucht Lederfabriken und großen Gerberein.

Die Haupteisenbahnlinien können das hohe Erzgebirge schwer überschreiten, kommen entweder die Elbe entlang oder führen durch das Vogland. Über die Eisenbahnen wurden alle Stoffe, die zur Verarbeitung nötig waren, auch Kohle hergeschafft.

Mundart.

Eine Probe davon, wie der Vogtländer spricht, geben folgende Zeilen des vogtländischen Dichters Riedel:

Is dös a schö’s Eckel
wie kaans af der Welt,
mir’sch nergends net su wie
in man’n Vugtland gefellt.

Verweis zu Mundart

Das Zwickauer Steinkohlebecken.

Abgrenzung.

Zwickauer Steinkohlenbecken wird das hügelige Land genannt, das sich im Norden an das Vogtland und das westliche Erzgebirge anlehnt. Es wird von der Zwickauer Mulde und der Chemnitz durchflossen, während die Zschopau zwischen Flöha und Frankenberg ungefähr seine östliche Grenze bildet. Es ist eine flache Mulde zwischen Erzgebirge und mittelsächsischem Bergland.

Entstehung der Steinkohle.

Vor vielen Millionen Jahren war hier tatsächlich ein Becken, jetzt ist es ausgefüllt mit allerlei Erdreich und Gestein, das das Wasser von den höher gelegenen Landstrichen Vogtland und Erzgebirge weg- und hierher geschwemmt hat. Ehe das geschah, standen hier im Tale merkwürdige Wälder. Farne so groß wie hohe Bäume, Schachtelhalme mit meterdicken Stämmen, riesige Schuppen- und Siegelbäume wuchsen hier in einem feuchtwarmen Klima. Da drangen, vermutlich bei dem Einbruch eines Meeres, ungeheure Wasserfluten herein, schwemmten die an den Abhängen stehenden Gebirgswälder mit herunter, rissen die Wälder auf der Talsohle weg und überschütteten die gefallenen Bäume mit dicken Schichten von Sand, Geröll und Schlamm. Allmählich wuchsen neue Wälder auf, aber auch sie fanden auf ähnliche Weise den Untergang. Dieser Vorgang wiederholte sich noch mehrmals. Aus den Baumstämmen wurden durch den ungeheuren Druck der darauf liegenden Erdschichten und durch die aus dem Erdinnern emporsteigende Hitze bei dem völligen Abschluß der Luft die Steinkohlen. Zwischen den einzelnen Schichten, die man Flöze nennt, finden sich Schichten von Sand, Ton und Schiefer. Das darüber liegende Erdreich führt den Namen Rotliegendes. Die rote Farbe hat es von dem Eisengehalt. Bei Zwickau finden sich 11 Hauptflöze (Kohlenschichten) übereinander, bei Lugau 7. Bei Zwickau hat das stärkste Flöz etwa 10 m, bei Lugau 16 m Dicke.

Orte für Bergbau und Industrie.

Verweis zu Bergbau und Industrie.

Die Hauptfundorte der Steinkohlen liegen in der Umgebung von Zwickau und um die Dörfer Oelsnitz und Lugau zwischen Zwickau und Chemnitz. Hauptorte der Wirkerei, welche die Herstellung von Strümpfe, Handschuhe, Trikotjacken u. a. bedeutet, nach Chemnitz sind Limbach, Burgstädt, Zschopau, während westwärts mit Hohenstein-Ernsttal und Lichtenstein-Callnberg die Weberei beginnt, deren Hauptorte die das „Fabrikviereck“ bildenden Städte Glauchau, Meerane, Crimmitschau, Werdau sind. Jede dieser Städte hat über 20 000 Einwohner, die zu allermeist von der Gewebeindustrie leben. Eine Eigentümlichkeit der Gegend bilden die oft stundenlangen Reihendörfer, in denen noch in vielen Häusern der Web- oder der Wirkstuhl rattert. Auch Sachsens größte Dörfer liegen im Bezirk, es sind Oelsnitz im Erzgebirge mit 16 000 Einwohnern und Ober- und Niederplanitz mit zusammen 25 000 Einwohnern.

Das Mittelsächsische Hügelland.

Abgrenzung.

Nördlich vom Zwickauer Kohlenbecken liegt ein flachhügeliges Gebiet zwischen der Pleiße im Westen und der Freiberger Mulde im Osten und Norden, das die Namen Mittelsächsisches Hügel- oder Bergland führt. Im Osten ist es nach dem Erzgebirge zu ohne eigentliche Grenze. Über das Kohlenbecken aber erhebt es sich nördlich der Eisenbahn Chemnitz-Glauchau beträchtlich.

Entstehung.

Ehemals war dieses Gebiet viel höher; es bildete die zweite erzgebirgische Gebirgsfalte (S. X), aber durch Verwitterung der Gesteine und infolge der Abtragung durch Wasser wurde es niedriger. Ein Gestein kam zum Vorschein, das ursprünglich von anderen Gesteinen bedeckt gewesen war, Granulit oder Weißstein. Die Ränder des länglich-runden Granulitgebietes, das von Limbach und Penig im Südosten nach Roßwein und Waldheim im Nordwesten reicht, werden aus Glimmerschiefer und Urtonschiefer gebildet. Da diese Schiefer härter sind als Granulit und schwerer verwittern, so bilden sie einen höheren Randwall um das Granulitgebiet. Später wurde dieses durch den Wind mit feinem Lehmstaub, Löß genannt, bedeckt, der jetzt eine fruchtbare Ackererde bildet und einen blühenden Ackerbau ermöglicht. Im nordwestlichen Teile des Gebietes aber fanden gewaltige vulkanische Ausbrüche statt, Porphyr quoll in die Höhe und überflutete weite Strecken. Der Rochlitzer Berg (350 m) besteht aus rötlichem Porphyrtuff (der verhärteten Asche ehemaliger feuerspeiender Berge), der hier in großen Steinbrüchen gewonnen wird und dann als Baustein weit und breit Verwendung findet.

Flüsse.

Durch die Hochfläche gruben die Flüsse in vielfachen Windungen enge und tiefe Täler: die Zwickauer Mulde, die Chemnitz, die Zschopau, die Freiberger Mulde. Sie haben malerische Steilufer, besonders die Zwickauer Mulde und die Zschopau, an denen der Fichten- oder Buchenwald hinauf zur Hochfläche klettert und die oben hier und da mit hochragenden Burgen gekrönt sind. Hier liegen Sachsens schönste Burgen, die Rochsburg an der Zwickauer Mulde und Kriebstein an der Zschopau. An den Flußufern aber stehen Mühlen, Spinnereien, Holzschleifereien, Papierfabriken.

Beschäftigung.

Auf den meist waldlosen fruchtbaren Hochflächen wird die Landwirtschaft rege betrieben und viel Roggen und Weizen erbaut; in der Gegend von Döbeln beginnt der Anbau der Zuckerrübe. Die langen Reihendörfer im Süden gehören noch ins Gebiet der Gewebeindustrie (Wirkerei und Weberei). Die Industrien in den Flußtälern sind schon erwähnt. Die Städte des Bezirks aber zeigen in der Beschäftigung ihrer Bewohner eine so große Mannigfaltigkeit, daß selten eine bestimmte Industrie der Stadt das Gepräge gibt.

Städte.

Fast alle Städte liegen an den Flüssen, und zwar sind sie meist dort entstanden, wo ein Flußübergang war. Hier wurde eine Burg errichtet, und in deren Schutz bildete sich eine Stadt. Die Burgen sind noch vorhanden, so in Waldenburg, Wolkenburg, Wechselburg, Rochlitz, Colditz, Leisnig, Waldheim, Nossen, dienen aber jetzt oft anderen Zwecken, das Colditzer Schloß z. B. als Irrenanstalt und das Waldheimer als Landeszuchthaus. Mittweida hat ein Technikum, d. i. eine Schule, in der Maschinenbauer und Elektrotechniker ausgebildet werden, Frankenberg treibt Gewebeindustrie. Hainichen ist die Geburtsstadt des Dichters Gellert. Bei Nossen liegt die schöne Klosterruine Altzella. (Das Kloster Altzella war ehemals die Begräbnisstätte der Meißner Markgrafen.) Der Hauptort des Gebietes ist Döbeln (20 000 Einw.). Es liegt inmitten fruchtbarer Landstriche an der Kreuzung zweier wichtiger Bahnen und ist ein Mittelpunkt für Handel und Industrie geworden. Für den Getreidehandel ist es Hauptort. Sodann werden Rübenzuckerfabrikation, Zigarrenindustrie und der Bau landwirtschaftlicher Maschinen hier betrieben.

Verweis zu Bergbau

Das nordwestliche Tiefland.

Die Landschaft.

Je weiter wir nach Norden kommen, desto ebener und niedriger wird das Land. Es beginnt die große Norddeutsche Tiefebene. Ursprünglich zog sich hier die dritte erzgebirgische Falte von Westen nach Osten, aber es ist nicht mehr viel davon zu sehen, und gar nichts mehr zu bemerken ist von der Vertiefung, die ehemals zwischen der zweiten Falte (jetzt dem Mittelsächsischen Hügelland) und der dritten bestand. Die Ursache davon ist in der Eiszeit zu suchen. Damals bewegten sich ungeheure Gletscher von Norden her auch über diese Gegend, bis sie endlich am Erzgebirge Halt machten. Auf ihrer Unterseite zerrieben sie die Gesteine, schabten die Erhebungen ab, füllten die Vertiefungen aus. Als sie nach langer, langer Zeit abschmolzen, blieb eine dicke Schicht des zerriebenen Gesteins liegen und bedeckte die Ebene. Nur noch einige Erhebungen ragen hervor, so der aussichtsreiche Collmberg (314 m) bei Oschatz, die Hohburger Berge bei Wurzen und die Strehlaer Höhen. Die zurückgebliebene Schicht bestand aus „Geschiebelehm“ und gibt jetzt einen guten Ackerboden ab. Doch waren darin auch größere und kleinere Steinbrocken eingebettet, die das Eis aus dem fernen Norden mit hierher gebracht hatte (Findlingsblöcke). Nach der Eiszeit, die viele Tausende von Jahren dauerte, wurde es wieder warm. Die Sonne trocknete die Lehmschicht, die an ihrer Oberfläche rissig und mehlig wurde. Heftige Winde wirbelten den Lehmstaub in die Höhe, führten ihn fort und trieben ihn an manchen Stellen zusammen, so bei Pegau, Borna, Mutzschen und Lommatzsch. Man nennt diesen feinen Lehm „Löß“; er bildet die beste Ackererde (S. VIl). Auch die Flüsse, die zur Zeit der Eisschmelze viel wasserreicher waren als jetzt, zum Teil auch eine andere Richtung hatten, trugen zur Gestaltung der Landschaft bei, indem sie, besonders bei Hochwasser, den Lehm fortschwemmten und ihn dann beim Zurückgehen an den Uferhängen als „Gehängelehm“ absetzten. Wo der Lehm weggespült war, blieb Sand zurück, den der Wind oft zu Dünen und Hügeln anhäufte.

Flüsse.

Die Hauptflüsse des Gebietes sind die Vereinigte Mulde und die Weiße Elster mit ihren Nebenflüssen. Die Mulde erscheint bis Wurzen noch gar nicht als Tieflandsfluß, der sich in weichem Schwemmlande ein bequemes Bett suchen kann, sondern sie muß sich erst noch durch den bis Wurzen reichenden harten Porphyr arbeiten, dann erst kann sie in das eigentliche Tiefland eintreten. Einst, als die Mulde viel größer war, floß sie von Grimma aus nordwestlich. Jetzt nimmt die Parthe ihren Lauf in dem alten Muldenbett. Noch heute ist in den gewaltigen Geröllmassen, die die Mulde damals hier abgelagert hat, die aber heute unter einer Lehmschicht verborgen liegen, ein starker Grundwasserstrom zu bemerken, dem die Stadt Leipzig bei Naunhof ihr Trinkwasser entnimmt. Weiße Elster und Pleiße sind hier schon echte Tieflandsflüsse mit trägem Laufe, zahlreichen Windungen und Seitenarmen, sumpfigen und schilfigen Uferlandschaften. In den feuchten Auen stehen Wälder aus Erlen, Weiden, Eschen, Eichen, die die Feuchtigkeit vertragen oder suchen, sogenannte Auwälder. Nach der Elbe zu fließen die Jahna und die Döllnitz, die beide bei Riesa münden. Die Döllnitz kommt aus dem Horstsee im Hubertusburger Walde.

Bodennutzung.

Überall, wo Lehm und Löß zu finden sind, breiten sich jetzt fruchtbare Ackerfelder aus, liegen kleine Bauerndörfer und kleine Ackerstädte. An den Flüssen sind zahlreiche Mühlen entstanden; mehrere davon haben sich zu großen Dampfmühlen entwickelt, in denen auch viel ausländisches Getreide gemahlen wird, so in Wurzen, Colditz, Riesa. Hauptorte des Getreidehandels sind Riesa und Döbeln. In den Lößgegenden wird besonders Weizen angebaut oder Garten- und Obstbau getrieben, so bei Borna Gemüsebau (Zwiebeln), bei Markranstädt Rosenbau (zur Gewinnung des Rosenöls) und Zuckerrübenbau. Wo sich Lehmlager von besonderer Mächtigkeit finden, sind große Dampfziegeleien entstanden. Die in der Nähe von Leipzig gelegenen liefern die Ziegel zum Bau der Leipziger Wohnhäuser. Die Sandstriche und die höher gelegenen Gegenden sind meist mit Wald bedeckt, da ihr Boden für Felder zu dürftig wäre. Große Wälder sind die Dahlener Heide und der Hubertusburger Wald, der zugleich ein ausgedehntes Teichgebiet bildet (der Boden besteht aus undurchlässigem Porphyrgestein). Hubertusburg war ehemals ein Jagdschloß, das sich ein sächsischer Kurfürst in dieser überaus wildreichen Gegend erbaut hatte. Jetzt dient es als Landesirrenanstalt. Zu beiden Seiten der Mulde zieht sich Porphyr hin. Er wird an mehreren Stellen in Steinbrüchen gewonnen und ist für die steinarme Tiefebene ein willkommener Bau- und Pflasterstein (S. XIII).

Braunkohle.

Auch noch andere Schätze birgt die Erde. Das sind ausgedehnte Braunkohlenlager, besonders in der Gegend von Borna und Grimma.

Verweis zu Bergbau

Städte und andere Orte.

Die bedeutendste Stadt des nordwestlichen Tieflands ist Leipzig, Sachsens Haupthandelsplatz und zugleich seine größte Stadt mit 590 000 Einwohnern. Ursprünglich war es ein sorbisches Fischerdorf.

Verweis zu Leipzig

Eine Reihe von Orten hat schon Erwähnung gefunden. Südlich von Leipzig finden wir die Städte Zwenkau, Pegau, Groitzsch, in denen Schuhwarenfabrikation betrieben wird. Größer als diese sind die Muldenstädte Grimma und Wurzen. Grimma hat eine Fürstenschule. Diesen Namen führen die von Kurfürst Moritz gestifteten drei Schulen zu Meißen, Grimma (1550) und Schulpforta, die im Range von Gymnasien stehen. In der Nähe liegen die schönen Ruinen des Nonnenklosters Nimbschen, in dem Katharina v. Bora, Luthers spätere Frau, als Nonne war. Wurzen (18.000 Einw.) ist eine wichtige Industriestadt. Es hat große Mühlenwerke, in denen u.a. auch Biskuits hergestellt werden, Tapeten-, Teppich-, Maschinenfabriken. Oschatz, eine alte Tuchmacherstadt, treibt noch heute Tuch- und Filzfabrikation (Oschatzer Filzschuhe).

Verweis Verkehr Leipzig


Quellenangaben und Verweise.
Aus: Landeskunde des Königreichs Sachsen von Dr. j. Zemmrich, Leipzig 1905, C. J. Göschen’sche Verlagshandlung.
Quelle: https://staatsbibliothek.ewigerbund.org/viewer/image/zemmrich_landeskunde_sachsen_1905/5/