Da bei dem Tode Maximilians I. sein älterer Sohn, Ferdinand Maria (1651-1679), erst fünfzehn Jahre zählte, so übernahmen die Kurfürstin-Mutter Anna und Albrecht VI., ein Bruder des verlebten Kurfürsten Maximilian, die Regentschaft. Sämmtliche Räthe, die dem Vater gedient, der Minister Graf von Kurz, die Kanzler Johann Hörwart und Johann Adlzreiter (der Herausgeber der von dem Jesuiten Berveaux verfaßten Geschichte von Bayern), der Hofkammer-Präsident Freiherr von Haslang und die geheimen Räthe Johann Mandel und Georg Dechsle u.a. wurden für die Regierung des Sohnes beibehalten; auch ward dem jungen Kurfürsten die von seinem Vater erkorne Henriette Adelheid, des Herzogs Victor Amadeus I. von Savoyen Tochter *), als Gemahlin zugeführt (22. Juni 1652) und seinem Bruder Max Philipp, wie es der Vater verordnet hatte, die Landgrafschaft Leuchtenberg gegeben (1653) **).

*) Mit ihr kamen mehrere italienische und französische Adelsfamilien (Adelheids Mutter Christina war eine Tochter des Königs Heinrich IV. von Frankreich) nach München, z. B. die Familie Montgelas, Rambaldi, La Perouse u. a.
**) Maximilian Philipp, der sich am 24. Mai 1668 mit Mauritia Febronia, Herzogs Friedrich Mauritius von Bouillon Tochter, vermählte, residierte später in dem von ihm 1687 erkauften Markte Türtheim bei Mindelheim, wo er den Kapuzinern 1683 ein Kloster gebaut hatte. Nach seinem am 20. Mai 1705 erfolgten kinderlosen Ableben fiel die Landgrafschaft Leuchtenberg wieder an Bayern. Seine Witwe Mauritia Febronia († 20. Juni 1706) stiftete gemäß Übereinkunft mit ihrem Gemahl durch letztwillige Verfügung vom 20. September 1705 in München ein Kloster für Carmeliterinnen, dessen Bau erst 1711-1714, gleichzeitig mit dem Bau der nebenanstehenden Dreifaltigkeitskirche, zur Ausführung kam. Bei der Säcularisation im Jahre 1802 wurde das Klostergebäude an das kurfürstliche Pfand- und Leihhaus verkauft.

Im Jahre 1654 wurde der Prinz volljährig und übernahm die Regierung selbst. Nach dem Ableben des Kaisers Ferdinand III. († 1657) bekam er Streit mit dem Kurfürsten Karl Ludwig von der Pfalz, welcher das Reichsvikariat für sich beanspruchte, weil, wie er behauptete, dieses nicht mit der an Maximilian von Bayern übergegangenen alten Kurwürde, sondern mit der Pfalzgrafschaft verbunden sei. Als dieser zur Vertheidigung seines prätendierten Rechtes Rüstungen vornahm, wendete sich Ferdinand Maria an König Leopold, des verstorbenen Kaisers Ferdinand III. Sohn, versprach ihm seine Stimme bei der bevorstehenden Kaiserwahl und erhielt dafür Hilfe gegen Karl Ludwig von der Pfalz zugesichert (12. Januar 1658). Bald darauf suchte König Ludwig XIV. von Frankreich (1643-1715) den Kurfürsten Ferdinand Maria zur Annahme der deutschen Kaiserkrone zu bewegen und schickte zu diesem Zwecke den kurkölnischen Gesandten zu Frankfurt, den Grafen Franz Egon von Fürstenberg, und den Marschall Grammont nach München. Hier kam es am Hofe unter den Gliedern des kurfürstlichen Hauses zu einem lebhaften Kampfe. Des Kurfürsten Gemahlin Adelheid, geblendet durch den Glanz einer Kaiserkrone, rieth im französischen Sinne, die Kurfürstin-Mutter Anna, eine Tochter des Kaisers Ferdinand III., mahnte von der Annahme der Kaiserkrone ab und traf hierin mit den Räthen ihres Sohnes zusammen. Ferdinand Maria entschied sich für Ablehnung der Kaiserwürde und ging nicht in Person zur Wahlverhandlung nach Frankfurt (1658), sondern trug seinem Abgeordneten, dem Rathe Georg Dechsle auf, seine Stimme dem Sohne des Kaisers Ferdinand, dem Erzherzoge Leopold, zu geben.

Bevor man in Frankfurt zur Wahl schritt, trug Rath Dechsle den versammelten Kurfürsten den Streit seines Herrn mit dem Kurfürsten Karl Ludwig von der Rheinpfalz wegen des Reichsvikariates zur Entscheidung vor und nahm sich dabei der Rechte seines Gebieters mit solcher Wärme an, daß ihm der hierüber aufgebrachte Kurfürst Karl Ludwig ein volles Tintenfaß an den Kopf warf. Die Versammlung entschied, daß künftig das Reichsvikariat zwischen Bayern und Pfalz wechseln solle, und wählte am 28. Juni 1658 den Erzherzog Leopold zum Kaiser (1658-1705). So blieb Ferdinand Maria mit Österreich in Frieden und bewahrte denselben für sein Land sowohl in dem Kriege, den 1661 Österreich mit den Türken führte, als auch in jenem, der 1667 zwischen Frankreich und Spanien ausbrach.

Den Segen des Friedens benutzte Ferdinand Maria zur Heilung der Wunden, die der dreißigjährige Krieg seinem Lande geschlagen hatte. Ein besonderes Augenmerk wurde auf die neu erworbene Oberpfalz gerichtet, wo die von dem rheinischen Pfalzgrafen gegebenen Einrichtungen von den bayerischen vielfach abwichen. Zur Beseitigung dieser Ungleichheit wurde 1657 in der Oberpfalz ein neues Landrecht eingeführt und die Leitung der Geschäfte einem Vicedom in Amberg anvertraut; auch wurden die Grenzen dieser Provinz gegen das Gebiet der Reichsstadt Nürnberg berichtigt und die Veste Rothenberg mit Schnaittach, welche (1478) fünf und vierzig meist fränkische Adelige von dem Pfalzgrafen Otto I. von Neumarkt gekauft hatten, von den Erben dieser Geschlechter, den sogenannten Ganerben (von dem alten Worte gan d. i. gemein und Erben, also „gemeinschaftliche Erben”) um 200.000 Gulden (1661 und 1663) eingelöst, wozu später (1698) noch 165.000 Gulden nachbezahlt wurden.

Für seine Anhänglichkeit an die Kirche Iegte Ferdinand Maria viele sprechende Beweise an den Tag. Im Jahre 1654 stiftete er zu Burghausen ein Kapuzinerkloster und zu Altötting ein Kloster für Franziskaner. Zu München stellte er (1654-1659) für die unbeschuhten Carmeliter ein Kloster und eine Kirche zu Ehren des hI. Nikolaus her, wie er sein Vater vor der Schlacht am weißen Berge bei Prag dem obersten Vorsteher dieser Mönche, dem Pater Dominicus de Jesu Maria, versprochen hatte. Im Jahre 1669 stellte er die von den reformierten Pfalzgrafen aufgehobenen oberpfälzischen Klöster (Waldsassen, Reichenbach, Ensdorf, Weissenohe, Michelfeld, Walterbach, Speinshart und Schönthal) wieder her und verzichtete zugleich auf die Einkünfte, die er gleich seinem Vater aus diesen Klöstern mit Roms Erlaubniß bezogen hatte. Dem von ihm und seiner Gemahlin Adelheid (1659) abgelegten Gelübde zufolge, eine Kirche und ein Kloster zu bauen, wenn ihre Ehe mit Kindern gesegnet würde, baute er von 1669-1675 zu München den Theatinern ein geräumiges Kloster und zu Ehren des hI. Cajetan eine prachtvolle Kirche, denn die Ehe war inzwischen mit drei Söhnen und zwei Töchtern beglückt worden.

Im Jahre 1669 rief er den seit 1612 nicht mehr versammelten bayerischen Landtag nach München ein, berieth sich mit ihm über die Tilgung der noch vorhandenen Schuldenlast und löste ihn dann für immer auf. An seine Stelle trat ein permanenter Landschafts-Ausschuß von sogenannten Verordneten zu München, der die nöthigen Bewilligungen machte und sich selbst ergänzte. Derselbe bestand aus vier Verordneten des Prälatenstandes, aus acht Verordneten des Adels und aus vier Verordneten des Bürgerstandes. Durch weise Sparsamkeit und kluge Umsicht im Staatshaushalte erneuerte sich Bayerns Wohlstand und so konnte der kunstliebende Kurfürst daran gehen, die Pracht seines Hofes zu verjüngen und etwas für die Hebung der Künste zu thun. Seine Gemahlin Adelheid, voll Geschmack und Kunstsinn, machte sich dieß zum besondern Geschäfte. Unter ihrer Leitung wurde der von ihrem Gemahle erbaute südliche Flügel der neuen Residenz nach italienischem Geschmacke eingerichtet und verziert, ein Opernhaus *) für italienische Gesangspiele (1658) aufgeführt und das Schloß Nymphenburg (1663) zu bauen angefangen (erweitert unter Max Emanuel und Karl Albrecht). Die ruhigen Tage des fürstlichen Ehepaars trübte noch am Ende ein Brand **), der beinahe die Hälfte der Residenz (den südlichen und östlichen Flügel) mit vielen Kostbarkeiten und Kunstwerken in Asche legte (9. April 1674). Mit genauer Noth rettete Adelheid mit ihren Kindern und Kammerfrauen halbangekleidet durch einen Gang, der die Residenz mit dem Theatiner-Gebäude verband, das Leben. Dieser Schrecken und die darauf folgende Nachricht von dem Tode ihres geliebten Bruders, Karl Emanuel von Savoyen, griffen die Fürstin so an, daß sie am 18. März 1676 starb. Mit ihrem Hinscheiden war für Ferdinand Maria die Welt ohne Freude. Er zog sich häufig nach Schleißheim zurück, wo Wilhelm V. die Wilhelmszelle mit acht Nebenzellen und einer Kapelle erbaut hatte, und verschied dort am 26. Mai 1679. Seine Leiche ward neben der seiner Gemahlin in der Gruft der Theatiner-Kirche beigesetzt, welche in der Folge alle bayerischen Regenten und ihre Familienglieder in sich aufnahm. Er hinterließ seinem Nachfolger eine gefüllte Schatzkammer, eine Armee von 20.000 Mann und mehrere mit Kriegsmaterial angefüllte Zeughäuser.

*) Dieses Opernhaus, nach dem Muster des zu Vicenza stehenden erbaut, stand in der Nähe der Salvatorskirche, dem westlichen Flügel des etwas später erbauten Theatinerklosters gegenüber. Als Kurfürst Maximilian III. Joseph das neue Opernhaus an seiner Residenz erbauen ließ, wurde das alte Opernhaus für deutsche Schauspiele bis zum Jahre 1802 verwendet, wo es abgebrochen wurde.

**) Fräulein La Perousa, erste Kammerfrau der Kurfürstin, war im Bette bei einer brennenden Wachskerze eingeschlafen und erwachte erst, als die Bettumhänge in hellen Flammen standen. Bei dieser Gelegenheit verbrannten alle Bildnisse der alten Fürsten von Bayern und ihrer Gemahlinen. Der Kurfürst Ferdinand Maria, der sich eben zu Braunau aufhielt und durch Eilboten Nachricht von dem Brande bekam, eilte in einem ununterbrochenen Ritte nach München, fand aber nur mehr die rauchenden Trümmer des von ihm erbauten Flügels. Auf diesem Ritte soll sich der Kurfürst eine Ruptur zugezogen haben, welches die Ursache seines frühen Todes war.

Sattler, Maximilian Vincenz, 1849-1894, „Lehrbuch der bayerischen Geschichte“ mit 50 Stamm- u. Regententafeln; statt e. neuen Aufl. d. Freudensprung’schen „Geschichte d. Königreiches Bayern“. München, 1868. J. Lindauer’sche Buchhandlung (Schöpping). Seiten 269-274.