Am 19. Juli 1870 erklärte der französische Kaiser Napoleon III. unter freudiger Zustimmung seines Volkes, aber ohne Grund zu blutigem Kampfe, an Preußen den Krieg. Die angebahnte Einigung Deutschlands sollte verhindert und das linke Rheinufer für Frankreich zurückerobert werden. Denn daß die Franzosen, welche im Krimkriege (1854—56) die Russen, im italienischen Kriege (1859) die Österreicher besiegt hatten, auch die Preußen überwinden würden — wer hätte daran zweifeln wollen?

Besaßen sie nicht das kriegsgeübteste Heer in Europa?

Rechneten sie nicht auf Bundesgenossen diesseits des Rheines?

Die deutsche Uneinigkeit war ja sprichwörtlich geworden, und Frankreich hatte sich dieselbe seit Jahrhunderten zu nutze gemacht. Aber jene Zeiten lagen hinter uns. Ein anderer Geist war in Deutschland erwacht. „Wir wollen sein ein einig Volk von Brüdern!“ So dachten Volk und Fürsten. Und einig stand ganz Deutschland in der Stunde der Gefahr. Bayerns jugendlicher König Ludwig II. erklärte, daß Bayern treu zur Seite Preußens stehen werde. Ihm folgten einmüthig die übrigen süddeutschen Fürsten. Selbst Österreich vergaß der Niederlagen von 1866 und des alten Grolles gegen Preußen und blieb neutral.

Dennoch war die Stimmung in Deutschland ernst, und mit Besorgniß sah man dem schweren Kampfe entgegen.

Aber schon am 4. August wurden Weißenburg und der Geisberg, am 5. August die Spicherer Höhen von den vereinigten nord- und süddeutschen Heeren erstürmt, und am 6. August wurde der berühmte französische General Mac Mahon bei Wörth vollständig geschlagen. Unaufhaltsam drangen jetzt die tapferen deutschen Armeen in das Innere Frankreichs. Sieg auf Sieg wurde errungen. Ein dreitägiger, furchtbarer Kampf an der Mosel (14.—18. Aug.) zwang eine französische Armee unter Bazaine (sp. Bassäng), in der starken Festung Metz Schutz zu suchen. Die letzte französische Armee, die unter Mac Mahon zum Entsatz von Metz heran zog, gerieth nach heftigen Kämpfen bei Sedan in Gefangenschaft. Kaiser Napoleon selbst ergab sich am 2. September dem siegreichen preußischen Könige Wilhelm.

Als die Nachricht über die vollständige Niederlage des französischen Kaiserreiches nach Paris kam, wurde dort die Republik verkündet. Aber die neuen Machthaber Frankreichs wollten von einer Gebietsabtretung an den Sieger nichts wissen; sie riefen das ganze kampffähige Volk unter die Waffen. Doch alles war vergeblich! Eine Festung nach der andern fiel in deutsche Hände: Straßburg am 27. September, Metz am 27.Oktober. Paris mit seinen großartigen Festungswerken wurde eingeschlossen (cernirt), und das neugebildete französische Heer, welches zum Entsatze der Hauptstadt heranrücken sollte, geschlagen (St. Quentin, Orleans, Le Mans, Belfort). Vergebens suchte das Pariser Vertheidigungsheer die Cernirungslinie zu durchbrechen. „Alle Ausfälle scheiterten an der Wachsamkeit und Tapferkeit der deutschen Truppen.

Als endlich im Januar 1871 die Beschießung der Hauptstadt begann und jede Hoffnung auf Entsatz geschwunden war, sah sich die republikanische Regierung zum Nachgeben gezwungen. In Versailles, wo sich das deutsche Hauptquartier befand, kam es Ende Januar zum Waffenstillstande. Am 1. März 1871 zogen die siegreichen deutschen Heere in Paris ein, und am 2. März wurde zu Versailles der Friedensschluß unterzeichnet. Frankreich mußte Elsaß und Deutsch=Lothringen mit Metz an Deutschland abtreten und 5 Milliarden (5 000 000 000) Francs Kriegskosten zahlen.

Der Versailler Friedensschluß rief in allen deutschen Staaten großen Jubel hervor, und mit hoher Freude blickte Deutschland auf seine tapferen Heere.

Quelle: Deutsches Lesebuch. Für das Bedürfniß ungetheilter Volksschulen bearbeitet. Zweiter Theil: Realienbuch (Ausgabe für protestantische Schulen) Seite 305 ff., München 1879.

Bildquelle:

Bildquelle: Westermanns Großer Atlas zur Weltgeschichte, 1969; Haacks geographischer Atlas. VEB Hermann Haack Geographisch-Kartographische Anstalt, Gotha/Leipzig, 1. Auflage, 1979; dtv-Atlas zur Weltgeschichte Band 1: Von den Anfängen bis zur Französischen Revolution; 23. Aufl. 1989.