1180. Der Beginn des Hauses Bayern – Otto von Wittelsbach.
Auf dem Rückzuge von Italien im Jahre 1155 nahm Kaiser Friedrich der Rothbart mit dem deutschen Heere seinen Weg durchs Etschthal, um über den Brenner nach Deutschland zu gelangen. Auf diesem Wege kam er an den Engpaß von Chiusa, die Berner Klause genannt. Dort sperrten links der Strom, rechts steile Felswände und eine unzugängliche Burg, in welcher der Ritter Alberich von Verona hauste, gänzlich den Paß. Alberich verwehrte dem Kaiser den Vorbeizug und drohte, er werde große Steine von der Burg hinab auf das deutsche Heer schleudern, wenn der Kaiser nicht für den freien Durchzug eine große Summe Geldes und jeder Ritter Harnisch und Pferd ausliefern würde. Die schimpfliche Bedingung einzugehen, war wider die Ehre, und wieder rückwärts zu gehen, war unmöglich, denn die Mailänder und Veroneser hatten alle Ausgänge besetzt. Der Untergang schien unvermeidlich.
Da erbot sich Pfalzgraf Otto von Wittelsbach, der sich im Gefolge des Kaisers als Bannerträger befand, die halsbrechenden Klippen zu ersteigen. Mit dreihundert Männern, den kühnsten und stärksten des Heeres, geht er landeinwärts und steigt auf gefährlichen, ungangbaren Pfaden aufwärts. Der Kaiser und das Heer harren ängstlich von Stunde zu Stunde. Plötzlich weht oben auf der höchsten Spitze des Felsens die Reichsfahne! Die Italiener, fünfhundert an der Zahl, werden von Otto angegriffen und die meisten fallen im Kampfe; nur Alberich und elf Genossen, welche gefangen wurden, müssen am Galgen sterben. Diese muthige Handlung hat der Kaiser dem Wittelsbacher nicht vergessen, wie wir nun hören werden.
Die lombardischen Städte empörten sich immer wieder gegen Kaiser und Reich; sie wollten unabhängig werden von Deutschland. Der Kaiser Friedrich mußte deshalb wiederholt gegen sie ins Feld ziehen, im Jahre 1174 zum fünften Male. Aber dieser Feldzug nahm einen unglücklichen Verlauf. Der Kaiser ließ durch Eilboten die deutschen Fürsten zur Hilfeleistung auffordern. Alle standen ihm bei, nur der mächtigste nicht — Heinrich der Löwe, Herzog in Bayern und Sachsen, aus dem Geschlechte der Welfen. Da eilte Friedrich über die Alpen, um seinen trotzigen Vetter selbst um Hilfe anzuflehen. Bei der Begegnung in Partenkirchen im März 1174 bot der Kaiser alle Beredsamkeit auf, um den widerwilligen Löwen für sich zu gewinnen. Ja, er bat ihn zuletzt kniefällig um Hilfe. — Umsonst! Heinrich beharrte trotzig auf seiner Weigerung. Da trat voll hohen Unwillens die anwesende Kaiserin Beatrix hinzu und rief: „Lieber Herr, höre auf zu bitten; Gott wird dir helfen, und einst wirst du dich dieses Tages und dieses Hochmuthes erinnern können!“
Diese Zeit blieb nicht aus. Als der Kaiser mit den italienischen Städten nach der unglücklichen Schlacht bei Legnano 1176 Frieden geschlossen hatte, forderte er Heinrich den Löwen zur Rechenschaft, und da derselbe auch seinen eigenen Unterthanen ein harter und ungerechter Herr war, so wurde er auf dem Reichstage zu Regensburg 1180 des Herzogthums Bayerns verlustig erklärt und dasselbe an Otto von Wittelsbach verliehen. Bayern besaß nun wieder einen Fürsten aus dem althergestammten Geschlechte der Schyren, dessen Nachkommen noch heute den bayrischen Königsthron einnehmen.
Quelle: Deutsches Lesebuch. Für das Bedürfniß ungetheilter Volksschulen bearbeitet. Zweiter Theil: Realienbuch (Ausgabe für protestantische Schulen) Seite 267 ff., München 1879.