1392-1447. Linie von Bayern-Ingolstadt.

Nicht lange dauerte Stephans Regierung, als er mit seinem Bruder Johann von München in Streit gerieth, und dadurch bezweckte, daß die Brüder Ihre Theile zusammenwarfen (1395). Johanns Sohn Ernst behielt Landsberg, Weilheim, Wolfrathshausen und Dachau. Als Johann im Jahre 1397 starb, traten seine Söhne Wilhelm und Albert in dessen Rechte. Hierauf verlangte Stephan, vornehmlich aber sein Sohn Ludwig, München zum Sitze. Es kam deshalb zum Kriege, und das Endresultat war, daß die alte Theilung wieder hergestellt wurde. Im Jahre 1413 starb Stephan. Ihm folgte in der Regierung sein Sohn Ludwig der Gebartete, Graf von Mortain, Bruder der Königin Isabeau von Frankreich. Dieser Ludwig war von schöner Statur, gewaltigem Geiste, hoher Bildung, tapfer, gewandt in den Geschäften und beißend mit seinem Witze. Unverträglichkeit mit allen seinen Nachbarn war Ursache, daß sich die Herzoge von München und Landshut verbündeten und das Gebiet Ludwigs anfielen. Doch dieser vergalt ihnen treulich. Kaiser Sigismund mußte alle Kräfte aufbieten, um den unbeugsamen Ludwig zur Ruhe zu bringen. In dieser Zeit fällt die gewaltige Erhebung der Böhmen, um ihren verbrannten Apostel Huß zu rächen. Bayern und Pfalz wurden von ihnen öfter feindlich heimgesucht, bis Entzweiung unter ihnen eingetreten. In abermalige Händel mit seinen Vettern in München und Landshut gerathen, erhoben diese gegen Ludwig gemeinschaftliche Klage beim Kaiser. Dieser, eben im Kirchenrath zu Basel anwesend, zwang Ludwig zur Unterwerfung, und der Friede war hergestellt, wenngleich er bald darauf auf kurze Zeit wieder unterbrochen wurde. Das Ärgste, was Ludwig jedoch begegnete, war die Erhebung seines Sohnes Ludwig, Grafen von Graisbach, gegen ihn, den Vater. Eifersüchtig auf des Vaters besondere Liebe zu seinem natürlichen Sohn Wieland von Freyberg, schloß der Sohn Ludwig einen Bund mit seinen Oheimen und Anderen (1443). Nach dreimonatlicher Belagerung eroberte Ludwig Neuburg, wo der Vater wohnte, nahm diesen gefangen und übergab ihn seinem Schwager und Bundesgenossen Achilles von Brandenburg, welcher ihn nach Ansbach brachte.

Zwei Jahre nachher starb Ludwig, wegen seines hohen Rückens der Höckerichte (Gibbosus) genannt, ohne Kinder (1445). Der alte Ludwig befand sich noch immer in Gewahrsam zu Ansbach, jede Bedingung, die Freiheit zu erlangen, mit Stolz verschmähend. Im Jahre 1446 löste ihn Heinrich von Landshut um 32.000 fl. aus und führte ihn nach Landshut und von da nach Burghausen. Endlich drangen der Kaiser, die deutschen Churfürsten und der König von Frankreich auf Ludwigs Entlassung, welche auch gewiß erfolgt sein würde, wenn er nicht 1447 im 81sten Jahre seines Alters gestorben wäre. Bis zur Letzten Stunde hatte er seinen unbeugsamen Trotz behalten, und sich wie ein Monarch, der unumschränkt regiert, betragen; er hielt es auch unter seiner Würde, sich zu beklagen, und nur gegen seine vertrautesten Freunde ließ er sich’s anmerken, daß ihn manchmal der Kummer beschleiche. In solchen Augenblicken wischte er sich heimlich Thränen aus den Augen, hiebei sagend: „Wer mir dieses gesagt hät in meinen jungen Tagen, daß ich also vil leiden solt, ich hät nit glaubt, daß ich also vil leiden solt, ich hät nit glaubt, daß mich all deutsch Fürsten darzu häten bringen mögen.“ Ganz Bayern trauerte um ihn; denn die unbezwingliche Kraft des Willens ist es, was wir am Menschen am meisten verehren. Seine Länder fielen dem Herzoge von Landshut zu.

1392-1503. Linie von Bayern-Landshut.

Friedrich starb im Jahre 1393 und sein Sohn und Nachfolger Heinrich, da er noch unmündig war, kam unter Vormundschaft der Ritter Fraunhofer, Preysinger, Closner, Affenthaler und Aheimer. Diese führten schlechte Wirthschaft, leerten die Kassen und versetzten die Ämter. Auch waren sie Ursache, daß in Landshut ein Aufruhr ausbrach (1407), indem sie am St. Barthelmäs-Jahrmarkt unerträgliche Steuern von der Bürgerschaft verlangt. Mit Waffengewalt mußte die Ruhe wieder hergestellt werden. Zur Selbstständigkeit gelangt, jagte Heinrich die bisherige Regenstschaft vom Hofe, übergab die Regierung einem wirthschaftlichen Priester (wahrscheinlich dem Nicodemus von der Leiter) und zog im Solde des deutschen Ordens gegen die Polen. Nach zwei Feldzügen kehrte er zurück und fand die Schulden getilgt. Von nun an führte er die Regierung bloß mit jungen thätigen Räthen und beschied gelehrte Prälaten und Domherren an seinen Hof, wenn er wichtiger Rathschläge bedurfte. Er selbst hörte Jedermann an, Bauern und Ritter, und förderte die Ausfertigung seiner Beschlüsse. Sparsamkeit herrschte an seinem Hofe, und besonders wurde viel auf weibliche Tugend gehalten. Heinrich ritt selten zu einem Hoflager und vermied allen Aufwand – dafür löste er Pfandschaften ein und hinterlegte einen ungeheuern Schatz in seiner Feste Burghausen. Dazu kamen zwei wichtige Erbschaften; die erste 1425 bei dem Abgang der Straubingschen, und die zweite 1447 bei dem Erlöschen der ingolstädtischen Linie. Wegen dieses großen Reichthums erhielt sowohl Heinrich, als sein Sohn und Enkel den Beinamen „des Reichen“.

1392-1508. Linie von Bayern-München.

Wie wir bei Ingolstadt gesehen, hatten Johann und seine Söhne, Ernst I. und Wilhelm III., mit Ludwig dem Gebarteten zu kriegen. Johann starb schon fünf Jahre nach der Theilung (1397). Ernst und Wilhelm, welche nun gemeinschaftliche Regierung führten, zeichneten sich im Hussitenkriege (1419 bis 1436) vorzüglich aus. Nach dem Hintritt des letzten Herzogs von Straubing-Holland erhielt jeder, wie schon bekannt, einen besonderen Theil. Willhelm III. erwarb sich als Protector der Kirchen-Versammlung zu Basel durch sein überaus kluges Benehmen die allgemeine Hochachtung. Er starb im Jahre 1435, aus seiner Ehe mit Margaretha von Cleve zwei Söhne hinterlassend, welche bald starben. Ernst I. war vornehmlich der vaterländischen Geschichte hold und ihm sind insbesondere die Arbeiten des bayerischen Chronikenschreibers Andreas, eines Klostergeistlichen zu St. Mang bei Regensburg, zu danken. Herzog Ernst starb 1438. Sein Sohn und Nachfolger Albert III., Graf von Vohburg, war ein äußerst liebenswürdiger Fürst. Wohlgestaltet, fröhlich und rechtschaffen, war er ein großer Liebhaber der Musik. Die Jugendgeschichte dieses Herzogs mit der Agnes Bernauerin ist zu bekannt. Bald nach seinem Regierungsantritte legte Albert III. eine herrliche Probe fürstlicher Großmuth ab. Es wurde ihm nämlich im Jahre 1440 der böhmische Thron angeboten. Albert anwortete den Abgeordneten: „Billig soll man Waisen beschützen, nicht aber berauben. Ihr habt Ladislaw, den königlichen Säugling.“ Nach dem Tode Ludwigs des Gebarteten war der Ingolstädter Theil an Heinrich von Landshut gefallen; da munterte man Albert auf, wenigstens einige Städte an sich zu reißen; aber der biedere Herzog sprach: „Auch wenn ich ein Recht hätte, würde ich nichts nehmen, was dem Hause nicht verloren geht, und was ich meinem Vetter, der das nächste Recht hat, mit Gewalt nehmen müßte.“ Seine Unterthanen mit den Segnungen des Friedens zu beglücken, hielt Albert für den größten Ruhm. Edelleute, welche noch aus dem Stegreif lebten, ließ er am Leben strafen, und so war das Faustrecht bald verschwunden. Er starb im Jahre 1460, und die Geschichte nennt ihn den Frommen. Da er fünf lebende Söhne, Johann, Sigmund, Albert IV., Christoph und Wolfgang, hinterließ, so brachte er, damit nicht wieder der Nutztheilungen geschehen möchten, den Vorschlag einer Art von Primogenitur oder eines Rechts der Erstgeburt auf die Bahn, indem er verordnete, das jederzeit nur die zwei ältesten Söhne regieren sollten. Der väterliche Anordnung zufolge übernahmen nun die zwei ältesten, Johann II. und Sigmund I., die Regierung: Johann starb jedoch schon im Jahre 1463 und Albert IV. trat in die Herrscherreihe. Und da Sigmund bald darauf sich zurückzog, wurde Albert Alleinregent. Da kam der vierte Bruder, Herzog Christoph der Starke, und forderte Mitregentschaft. Es kam zu ununterbrochenen Streitigkeiten, da Christoph an dem Adel, dessen Liebling er war, große Stütze gefunden; sie wurden beendigt durch Christophs Tod im Jahre 1493. Nun wurde Wolfgang mitregierender Herr, welcher seinem Bruder Albert IV. in allen Unternehmungen getreulich half. Albert war bemüht, sein Land zu vergrößern, doch schlugen fast alle seine Unternehmungen fehl. So brachte er 1486 die Reichsstadt Regensburg an sich, mußte aber diese wieder herausgeben nach dem die schwäbischen Stände einen Bund gegen ihn geschlossen. Ebenso wurde jener Heirathsvertrag mit Kunigunde von Österreich, vermöge welchen dieselbe Tirol als Heirathsgut mitbrachte, vernichtet. Nur die Grafschaft Abensberg fiel 1493 durch Kauf an Bayern. Aus der Verlassenschaft seines Vetters, des Herzogs Georg von Bayern-Landshut, erhielt Albert nach einem blutigen und verheerenden Kriege mit dem pfälzischen Hause, durch Ausspruch des Kaisers, Landshut und Burghausen mit vierzehn anderen Städten, und dreiunddreißig Marktflecken und Gerichtsbezirken.

Um nun Bayern für die Zukunft gegen die Folgen der Theilung zu sichern, führte Albert IV. im Jahre 1506 das Recht der Erstgeburt (Primogenitur) durch ein für ewige Zeiten verbindliches Hausgrundgesetz ein. Dasselbe enthielt: „Nach Alberts Tod herrsche sein ältester und dessen ältester Sohn nach ihm, und so alle Linien durch, wie es der Erstgeburt Rechte erheischen, und immer ein einzig regierender Fürst sei in den Landen zu Bayern. Er allein führe Herzogenamt und Titel: die nachgeborenen heißen nur Grafen. Viertausend Gulden sei ihre Abfindung im vogtbaren Alter. Wolfgang (welcher das neue Hausgesetz mit unterzeichnet) allein besitze Zeitlebens Aichach, Mering, Landsberg, Rauhenlechsberg, Schongau, Weilheim und Päl, mit Gerichten und Wildbann, und 12.000 fl. jährlicher Rente dazu. Wolfgang verkümmere nichts, besetze sein Hofgericht wohl, beginne keinen Krieg, und gebe Alberten Öffnung im nöthigen Falle, und Wiederlösung. Zur Stund‘ von Wolfgangs Tod falle Alles an Albert oder seinen regierenden Erben – und bleibe Bayern ungetheilt für immer.“ Durch Errichtung dieser pragmatischen Sanction allein würde er den Beinamen des Weisen, den die Nachwelt ihm ertheilte, verdient haben. Durch sie wurden innere Zerrüttungen und Entkräftung des Landes für immer vermieden; ihr hat der bayerische Staat seine Festigkeit und Dauer zu verdanken. Albert, der Vater seines Volkes im vollsten Sinne des Wortes, starb am 10. März 1508. Mit ihm ging ein Stern erster Größe seines Zeitalters unter. Mit hoher Gelehrsamkeit (deshalb von der damals unwissenden Ritterschaft der Schreiber genannt) verband er schnelle und richtige Urtheilskraft, tiefe Einsicht, große Klugheit und Gewandtheit.

Quelle: Heilmann, Johann, Geschichte Bayern, 1853, S.156 ff.