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Das Fürstentum Reuß älterer Linie im Ewigen Bund. Eine Bundesstaatenseite des Ewigen Bundes.
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Reuß, zwei souveräne deutsche Fürstentümer: R. ältere Linie (R.-Greiz) und R. jüngere Linie (R.-Schleiz-Gera), deren Gebiet aus zwei getrennten Teilen besteht, wovon der nördliche (Unterland) an den preuß. Regbez. Merseburg, das Herzogtum Sachsen-Altenburg und das Großherzogtum Sachsen-Weimar grenzt, während der größere südliche Teil (Oberland) von Schwarzburg-Rudolstadt, dem preußischen Kreis Ranis, Sachsen-Weimar, dem Königreich Sachsen, Bayern (Oberfranken) und Sachsen-Meiningen eingeschlossen wird (s. Karte »Sächsische Herzogtümer«). Im allgemeinen ist das Land gebirgig, indem es von einem Teil des Thüringer Waldes (dem sogen. Frankenwald) sowie von einem Teil des zwischen diesem und dem Erzgebirge befindlichen vogtländischen Mittelgebirges durchzogen wird. Die bedeutendsten Spitzen sind: der Sieglitz (747 m) und der Kulm (779 m). Die Hauptgewässer sind: die Saale mit der Selbitz, Lemnitz, Friesau, Wetterau und Sormitz im westlichen und die Weiße Elster mit der Göltzsch im östlichen Teile des Landes. An der südlichen Grenze entspringt die Rodach, die zum Main geht. Das Oberland führt an zahlreichen Punkten Stahlquellen, von denen die in der Nähe von Lobenstein gefaßt sind und Anlaß zu der Begründung der dortigen Bade- und Heilanstalt gaben. Das Klima ist gemäßigt, um den Frankenwald etwas rauh, in den Gegenden an der Saale und um Gera weit milder. Die Fürstentümer R. haben einen Flächeninhalt von 1143,01 qkm mit (1905) 215,187 Einw., wovon auf R. ältere Linie 316,3 qkm mit 70,603 Einw., auf R. jüngere Linie 826,71 qkm mit 144,584 Einw. kommen. R. ältere Linie zählt 2 Städte, 2 Marktflecken und 71 Dörfer, R. jüngere Linie 6 Städte, 4 Marktflecken und 163 Dörfer. Städte mit über 10,000 Einw. sind Greiz (23,118 Einw.) und Gera (46,909 Einw.). 1905 waren von den Einwohnern 209,189 evangelisch, 4011 katholisch, 1613 andre Christen, 344 Juden und 30 andern Bekenntnisses. In Ebersdorf besteht eine Herrnhutergemeinde von 150 Seelen. Die Volksbildung steht auf hoher Stufe. Es bestehen in den Fürstentümern außer guten Volksschulen 2 Seminare (Schleiz und Greiz), 3 Gymnasien (Gera, Greiz und Schleiz), ein Realgymnasium, 2 höhere Töchterschulen, eine Handelsschule (Gera), eine Bauschule und eine Taubstummenanstalt (Schleiz), eine landwirtschaftliche Lehranstalt (Köstritz) und verschiedene Privatlehranstalten.

Obgleich die reußischen Lande wegen ihrer gebirgigen Beschaffenheit die Landwirtschaft nicht zu begünstigen scheinen, so wird diese doch mit großer Sorgfalt betrieben. In R. ältere Linie und R. jüngere Linie entfallen auf Ackerland und Gärten 40,9, bez. 39,1 Proz., auf Wiesen 17,2, bez. 16,8 Proz., auf Weiden 1,0, bez. 2,7 Proz., auf Wald 35,6, bez. 37,8 Proz. des Areals. Von den wichtigsten Feldfrüchten etc. waren 1905 angebaut: Weizen auf 537, bez. 2499 Hektar, Roggen auf 3333, bez. 7693 Hektar, Sommergerste auf 1409, bez. 3141 Hektar, Hafer auf 2732, bez. 7242 Hektar, Kartoffeln auf 2115, bez. 5278 Hektar, Klee auf 1322, bez. 3104 Hektar, Wiesen waren 5373, bez. 14,030 Hektar. Geerntet wurden im Jahre 1905 in Tonnen zu je 10 dz: Weizen 1135, bez. 5580, Roggen 6476, bez. 14,503, Sommergerste 2748, bez. 5714, Hafer 4453, bez. 10,192, Kartoffeln 29,483, bez. 74,952, Kleeheu 5077, bez. 10,617, Wiesenheu 18,630, bez. 40,689. Obst wird hauptsächlich in Hausgärten gezogen, im Oberlande betreibt man auch noch den Flachsbau. Die Viehzucht, bez. die Viehmästung ist in blühendem Betrieb, und die Viehmärkte, namentlich im Oberland, haben eine große Bedeutung. Dagegen ist der Bestand an Pferden und Schafen verhältnismäßig gering. Einen wesentlichen Reichtum bilden in beiden Fürstentümern die Waldungen, von denen in R. ältere Linie 38,3 Proz., in R. jüngere Linie 52,9 Proz. Kronforsten sind. Sie bestehen zu 97,5, bez. 96,1 Proz. aus Nadelholz. Der Bergbau hat fast ganz aufgehört. Die gewerbliche Industrie ist sehr lebhaft. In R. ältere Linie stehen obenan die Wollwarenindustrie in Greiz und den umliegenden Ortschaften und die Strumpfwarenindustrie in Zeulenroda. Erstere liefert Tibets, halbwollene und halbseidene Stoffe, wollene Decken, Baumwollenzeuge etc. In Greiz und Umgegend stehen jetzt ca. 11,000 mechanische Webstühle, in Zeulenroda ca. 700 Wirkstühle und im ganzen Fürstentum R. ältere Linie ca. 100 Stickmaschinen. Außerdem sind eine Seifensiederei in Zeulenroda, Maschinenbauanstalten (ebendaselbst), Wollzeugdruckereien, Stein– und Buchdruckereien, Färbereien und Appreturanstalten, Ziegeleien, Gerbereien sowie je eine bedeutende Porzellan– und Papierfabrik in Betrieb. In R. jüngere Linie ist der Hauptort für die Industrie Gera (vorzugsweise Fabrikation von Kammwollwaren). Im ganzen Fürstentum sind ungefähr 12,000 Webstühle vorhanden. Außerdem sind zu nennen: für Teppichweberei Gera, für Jutespinnerei und –Weberei Triebes; für Färberei Gera; für Bierbrauerei, außer den Städten, noch Tinz, Pforten, Köstritz und Lemnitzhammer; für Gerberei Gera und namentlich Hirschberg; für Tabak– und Zigarrenfabrikation Gera und Lobenstein; für Fabrikation von Harmoniken und Akkordions Gera und Niederböhmersdorf; für Roßhaarspinnerei Gera; für Fabrikation von Metallwaren Schleiz. Endlich bestehen noch eine Saline (Heinrichshall) nebst einigen chemischen Fabriken (für Schwefelsäure etc.), zwei Porzellanfabriken (Gera–Untermhaus und Langenberg), Lithographieanstalten (Triebes), Maschinen– und Werkzeugfabriken, eine Filztuchfabrik etc., bedeutende Verblendsteinfabrikation in Cretzschwitz und Kleinaga, Marmorschleiferei in Saalburg, Schiefertafelindustrie in Wurzbach, Stickerei besonders in Tanna. Was den Handel betrifft, so sind die wichtigsten Ausfuhrartikel der Fürstentümer: die erzeugten wollenen Webstoffe und gewirkten Waren, Jutestoffe, ferner Holz, Rindvieh, Butter, Eisen, Maschinen, Leder, Musikinstrumente, Verblendsteine und Porzellan; Haupteinfuhrartikel: Stein– und Braunkohlen, wollene Garne, Getreide, Obst, Leinsamen, Talg, rohe Häute, Glas, Kolonialwaren, Modeartikel etc. In allen Landesteilen sind Kunststraßen angelegt. Von Eisenbahnen gehören den reußischen Landen eine kurze Strecke der Sächsisch-Bayrischen Staatsbahn, mit den sächsischen Zweigbahnen nach Greiz, Schleiz und Hirschberg a. d. Saale, ferner ein Teil der sächsischen Linien Gera-Weischlitz, Gera–Gößnitz und Mehltheuer-Werdau nebst einem Teil der Privatbahn Gera-Wuitz-Mumsdorf, Teile der preußischen Linien Leipzig–Probstzella, Gera–Weimar, Triptis–Ziegenrück-Blankenstein; im Bau begriffen die Linien Eichicht–Wurzbach–Lobenstein und Blankenstein-Marxgrün. Handelskammern befinden sich in Greiz und Gera, wo auch eine Reichsbankstelle, eine Gewerbebank und die Geraer Bank ihren Sitz haben.

Was die Staatsverfassung anlangt, so hat R. ältere Linie seit 28. März 1867 eine Konstitution, R. jüngere Linie eine Repräsentativverfassung, die auf dem Staatsgrundgesetz vom 14. April 1852, auf dem Gesetz über die Zusammensetzung und Wahl der Landesvertretung vom 16. Mai 1856 und auf dem Gesetz vom 20. Juni 1856 beruht. In beiden Fürstentümern vereinigt der Fürst alle Rechte der Staatsgewalt in sich. Der älteste regierende Fürst ist in beiden Linien Senior und leitet alle gemeinsamen Haus– und Familienangelegenheiten. Die Regierung ist in beiden Fürstentümern im Mannesstamm nach dem Rechte der Erstgeburt und der agnatischen Linealfolge erblich; erlischt die eine Linie, so sukzediert die andre. Der Fürst wird mit zurückgelegtem 21. Lebensjahr volljährig; während seiner Minderjährigkeit führt die Mutter oder der nächste Agnat die Vormundschaft. Gegenwärtig regiert in R. ältere Linie seit 19. April 1902 Fürst Heinrich XIV. R. jüngere Linie als Regent (geb. 28. Mai 1832) an Stelle des zur Regierung unfähigen Fürsten Heinrich XXIV. (geb. 20. März 1878); in R. jüngere Linie an Stelle des ebengenannten Fürsten Heinrich XIV., der die Regierung 17. Juli 1867 an- und seit 23. Nov. 1892 abgetreten hat, Erbprinz Heinrich XXVII. (geb. 10. Nov. 1858). Die Fürsten führen das Prädikat »Durchlaucht«. Alle Fürsten und Prinzen des Hauses R. führen seit alten Zeiten den Namen »Heinrich«, wobei die ältere Linie bis 100 zählt und dann wieder mit 1 beginnt, die jüngere aber nur bis zum Ende eines Jahrhunderts fortzählt und hierauf wieder mit 1 anfängt. In R. ältere Linie besteht der Landtag aus 12 Abgeordneten, von denen 3 vom Landesherrn ernannt, die übrigen als Vertreter des Großgrundbesitzes (2) direkt, der Städte (3) und Landgemeinden (4) indirekt auf sechs Jahre gewählt werden. In R. jüngere Linie ist der Landtag zusammengesetzt aus dem fürstlichen Besitzer des R.-Köstritzer Paragiums oder dessen Vertreter, aus 3 Abgeordneten der Höchstbesteuerten und 12 auf drei Jahre direkt gewählten Abgeordneten der übrigen Bevölkerung. In jedem Fürstentum übt der Landesherr die oberste Kirchengewalt aus. Die beiden geistlichen Oberbehörden sind das Konsistorium in Greiz und das Ministerium, Abteilung für Kirchen– und Schulsachen, in Gera. Was die Staatsverwaltung anlangt, so ist in R. ältere Linie die Landesregierung in Greiz die oberste Behörde für alle Zweige derselben; in R. jüngere Linie werden alle Verwaltungsgeschäfte in oberster Instanz von dem Ministerium in Gera wahrgenommen, das aus drei Abteilungen, für die Angelegenheiten des fürstlichen Hauses und der Finanzen, für die Justiz und für Kirchen– und Schulsachen, für das Innere besteht. Das Fürstentum R. jüngere Linie zerfällt in den Landratsamtsbezirk Gera oder unterländischen Bezirk und in den Landratsamtsbezirk Schleiz oder oberländischen Bezirk. Die Rechtspflege wird in R. ältere Linie von einem Landgericht in Greiz und 3 Amtsgerichten wahrgenommen. In R. jüngere Linie bestehen ein Landgericht in Gera und 5 Amtsgerichte (s. Textbeilage »Gerichtsorganisation im Deutschen Reich« im 7. Bd.). In Gera werden die Schwurgerichtssitzungen für die beiden R. und für das Herzogtum Sachsen-Altenburg abgehalten. Die höhere Instanz bildet für die Fürstentümer das Oberlandesgericht in Jena.

Die Einnahmen und Ausgaben von R. ältere Linie betrugen nach dem Voranschlag für 1906 je 1,780,702 Mk. Unter den Einnahmen figurierten die direkten Steuern mit 618,805 Mk., die indirekten Steuern mit 831,598 Mk., die Sporteln mit 160,794 Mk.; unter den Ausgaben spielten diejenigen für Reichszwecke (871,673 Mk.) die Hauptrolle. In R. jüngere Linie beliefen sich nach dem Voranschlag für 1906 die Einnahmen und Ausgaben auf je 2,480,156 Mk. Unter erstern waren die indirekten Steuern mit 553,180 Mk., die direkten mit 1,137,000 Mk., die Sporteln mit 273,700 Mk. beziffert; die Ausgaben für Reichszwecke betrugen 590,845 Mk. Die Staatsschuld betrug in R. jüngere Linie 1905: 1,040,550 Mk. R. ältere Linie hatte 1905 keine Staatsschulden. In militärischer Hinsicht bilden die Truppen der beiden R. mit denen von Schwarzburg-Rudolstadt das 7. thüringische Infanterieregiment Nr. 96, das der 38. Division des 11. preußischen Armeekorps (Kassel) zugewiesen ist. In Gera befindet sich der Regimentsstab, und außerdem garnisoniert dort ein Bataillon dieses Regiments, von dem allmonatlich ein kleines Detachement nach Greiz abgeschickt wird. Im Bundesrat besitzen beide Fürstentümer je eine Stimme und sind im deutschen Reichstag durch je einen Abgeordneten vertreten. Das Wappen (s. Tafel »Wappen I«, Fig. 9) beider Fürstentümer hat vier Felder, in deren erstem und viertem ein rot gekrönter, goldener, doppelt geschwänzter Löwe in Schwarz (wegen R.), in[841] deren zweitem und drittem ein goldener Kranich in Silber (wegen Kranichfeld); der Schild ist mit drei Helmen bedeckt und wird von zwei Löwen gehalten, die bei R. ältere Linie golden, bei R. jüngere Linie schwarz-silbern sind. Die Devise, auf blauem Bande, lautet: »Ich bau auf Gott«. Die Landesfarben sind Schwarz. Rot und Gelb. In jedem der beiden Staaten bestehen ein Verdienstkreuz (in R. ältere Linie 3 Klassen, in R. jüngere Linie goldenes und silbernes nebst silberner Medaille), ein Ehrenkreuz in 4 Klassen nebst affiliierter goldener und silberner Verdienstmedaille (1869 für R. jüngere Linie gestiftet, 1902 auf R. ältere Linie ausgedehnt), s. Tafel »Verdienstauszeichnungen«. Die fürstlichen Residenzen sind in R. ältere Linie Greiz, in R. jüngere Linie Schloß Osterstein bei Gera und Schleiz.

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